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Fünf Jahre nach der „Flüchtlingskrise“ in Deutschland
03.08.2020 Ahmad Asaad spricht langsam und konzentriert. Eigentlich wirkt der junge Syrer gefasst und in sich ruhend. Nur wenn er über die dunklen Abschnitte seiner Lebensgeschichte spricht, stockt sein Redefluss: Flucht, Vertreibung, Zurücklassen und die Ankunft in einer fremden Umgebung. Zu seiner Geschichte gehört aber auch der Neustart: Er hat eine Wohnung gefunden, trifft sich regelmäßig mit Freunden – darunter viele Deutsche – und auch der Sprung auf den Arbeitsmarkt ist ihm gelungen. Aktuell absolviert er eine Ausbildung bei Continental in Regensburg. Auf seinem Erfolgsweg begleitet hat ihn die Anerkennungsberatung bei den Beruflichen Fortbildungszentren der Bayerischen Wirtschaft (bfz) in Regensburg.
„Wir lernen die Menschen mit all ihren Erfahrungen und Kenntnissen kennen und schauen uns dann gemeinsam mit den Ratsuchenden an, ob die Anerkennung ihres Berufs in Deutschland möglich ist“, erläutert Andreas Dick. Er ist Anerkennungsberater am bfz Regensburg und hat Ahmad Asaad bei seiner beruflichen Integration unterstützt. Bei den Treffen wird geprüft, ob die Berufsausbildung oder das Studium aus dem Ausland in Deutschland anerkannt wird. Die Berater helfen außerdem bei der Suche nach Finanzierungsmöglichkeiten, begleiten die Ratsuchenden durch den Behördendschungel oder empfehlen notwendige Qualifizierungen. „Dieses Rundum-Angebot ist wichtig, da viele verschiedene Stellen am Anerkennungsprozess beteiligt sind. Interessierte müssen zwar für die Prüfung zunächst Geld in die Hand nehmen. Unser Beratungsangebot ist dafür kostenfrei. Ein weiterer Vorteil: Die Chancen steigen, einen positiven amtlichen Bescheid zu erhalten“, erklärt Dick. Zusammen mit zwei Kollegen hat er seit Einführung des Angebots im Jahr 2016 etwa 3.800 Personen in Regensburg beraten.
Dass Ahmad heute hier steht und seine Erfolgsgeschichte erzählen kann, ist alles andere als selbstverständlich. „40 Tage dauerte meine Flucht. Teils habe ich den Weg zu Fuß, teils mit dem Fahrrad zurückgelegt. Ende 2015 kam ich mit dem Zug in Passau an“, erzählt der 30-Jährige. 40 Tage der Angst, der Ungewissheit, der Tränen um die verlorene Heimat. Gnadenlos wüten in seiner Geburtsstadt Palmyra in Syrien IS-Kämpfer sowie Truppen des Assad-Regimes, morden und verbreiten Chaos – auch das Haus der sechsköpfigen Familie wird zerstört. Hals über Kopf müssen die Asaads ihre Heimat verlassen. In der Türkei trennen sie sich. Die Eltern sind zu alt und gebrechlich, für eine Weiterreise fehlt ihnen die Kraft. Ahmad macht sich alleine auf den Weg und erreicht die deutsche Grenze. Nach Zwischenaufenthalten in Deggendorf und Kelheim landet er in Bad Abbach. Hier nimmt er Sprachunterricht und sucht Arbeit. „Ich habe in Palmyra nach meinem Abitur eine 2-jährige Ausbildung als Computertechniker absolviert und dachte mir, das muss doch auch in Deutschland nutzbar sein.“ Nach mehreren Praktika in der Region bewirbt sich Ahmad erfolgreich auf seine aktuelle Ausbildungsstelle.
Eine Anerkennung ist nicht für jeden Beruf gleichermaßen wichtig. Manche Berufe, wie Arzt, Lehrer oder Rechtsanwalt dürfen von Personen mit ausländischem Abschluss nur dann ausgeübt werden, wenn die vollständige Gleichwertigkeit mit dem deutschen Referenzberuf amtlich festgestellt wurde. Bei der überwiegenden Mehrheit der Berufe ist dies nicht zwingend nötig. „Trotzdem profitieren Personen auch in diesen sogenannten unreglementierten Berufen von einer Anerkennung: Sie sind insgesamt häufiger, länger sowie in höheren Positionen und ihren Qualifikationen entsprechender beschäftigt. Auch finanziell macht sich das Verfahren bezahlt: Das monatliche Brutto-Einkommen ist nach erfolgreichem Antrag um durchschnittlich 1.000 Euro höher – ein Anstieg um rund 40 Prozent. Arbeitgeber profitieren von der Anerkennung, indem sie eine wertvolle Hilfe bei der Einschätzung von Berufsabschlüssen ausländischer Bewerberinnen und Bewerber erhalten“, erklärt Kristin Hecker von der bfz Bildungsforschung. Sie koordiniert und unterstützt die bfz-Beratungen an fünf Standorten in Bayern. Gefördert werden die Stellen und die Koordination vom Bayerischen Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales.
Den Tipp, die bfz-Anerkennungsberatung aufzusuchen, erhielt Ahmad von einem Freund. Inzwischen ist er Besitzer eines Zertifikats, das ihm die volle Gleichwertigkeit mit dem deutschen Referenzberuf „IT-System-Elektroniker“ bescheinigt. Trotzdem möchte er zunächst seine Ausbildung bei Continental abschließen. Dort hat er – auch aufgrund seiner Berufsanerkennung – gute Perspektiven: Das Unternehmen hat ihm die anschließende Übernahme zugesichert. Manchmal kann Ahmad nicht glauben, dass sich alles so gut entwickelt hat: „Heute bin ich wieder glücklich, kann lachen und bin den Menschen hier sehr dankbar. Viele haben mir geholfen, wodurch mein Leben wieder lebenswert geworden ist.“ Für die Zukunft hat er noch einen großen Wunsch: „Dass ich bald auch meine Eltern wieder in die Arme schließen kann.“
Bildbeschreibung
Ahmad Asaad (links) mit seinem Anerkennungsberater Andreas Dick (rechts). Foto: Eva Müller (bfz Regensburg)
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JPG (1,5 MB)
Weitere Informationen
bbw Unternehmenskommunikation
Eva Heymann
Telefon 089 44 108 216
E-Mail eva.heymann@bfz.de
Hintergrund
Berufliche Fortbildungszentren der Bayerischen Wirtschaft (bfz) gGmbH
Die bfz stehen in der Arbeitsmarktpolitik der öffentlichen Hand zur Seite: Im Auftrag der Arbeitsagenturen und Jobcenter bietet die Gesellschaft zusammen mit regionalen Partnern Menschen jeder Altersgruppe ein Sprungbrett in Job oder Ausbildung. Die bfz qualifizieren verschiedene Zielgruppen unter den arbeitslosen Menschen und vermitteln diese in den Arbeitsmarkt. In der bfz Bildungsforschung werden Modellversuche und Forschungsprojekte zur beruflichen Aus- und Weiterbildung durchgeführt. Die dort gewonnenen Erkenntnisse tragen wesentlich zur Modernisierung des deutschen und europäischen Bildungssystems bei. Die bfz sind eine Gesellschaft des Bildungswerks der Bayerischen Wirtschaft (bbw) e.V.
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